One Class, One Struggle – Jugend kämpft international
Schauen wir uns zurzeit in der Welt um sehen wir vor allem eins: Krisen. Sei es der sich verschärfende Klimawandel mit immer extremeren Wetterlagen und Umweltkatastrophen, die unsere Lebensgrundlage bedrohen. Seien es die von der Wirtschaftskrise und Inflation in die Höhe getriebenen Preise und gleichzeitig ausbleibende Lohnerhöhungen. Oder sei es die Corona-Pandemie, die zu einem Zusammenbruch der globalen Handelsketten und einer starken Einschränkung unserer Grundrechte geführt hat. In den letzten Jahren hat der Kapitalismus einige Krisen hervorgebracht, die eins gemeinsam haben: Sie treffen uns als Jugend der Arbeiter:innenklasse in besonderer Art und Weise.
„They have money for wars, but can’t feed the poor“
Auf der einen Seite verpulvert der deutsche Staat 100 Milliarden Euro als Extra Budget für die Aufrüstung – neben über 50 Milliarden Euro, die die Bundeswehr sowieso jährlich bekommt. Auch über eine Reaktivierung der Wehrpflicht wird immer drängender diskutiert, denn Deutschland rüstet auf und dafür braucht es eine neue „kriegstüchtige“ Generation. Zwar wird eine vollständige Reaktivierung zurzeit noch als unrealistisch bezeichnet, doch mit einer Einführung eines sozialen Pflichtjahres und einer höheren Vergütung eines „freiwilligen“ Jahres bei der Bundeswehr und bessere Chancen auf einen Studienplatz sollen Jugendliche zum Militär gelockt werden.
Heute noch Schüler:innen, sollen wir morgen schon für die Profite der (Rüstungs-)Konzerne in den Krieg ziehen. Gleichzeitig bringt der Export von Waffen nach Israel, Saudi-Arabien oder in die Ukraine eine Menge Gewinn für die deutschen Rüstungskonzerne und den deutschen Staat.
Auf der anderen Seite lässt der deutsche Staat für Bildung und Soziales aber nur Krümel übrig. Wenn wir uns die Lebensrealität von Jugendlichen anschauen sehen wir das deutlich: Nach einem stressigen Schultag gehen viele Jugendliche noch arbeiten, damit das Taschengeld reicht, um nicht von den sozialen Aktivitäten im Freundeskreis ausgeschlossen zu werden. Jugendclubs werden aufgrund der Haushaltskürzungen reihenweise geschlossen und kostenlose Freiräume werden so immer weniger. Zudem werden die Schulklassen immer größer und trotzdem fallen regelmäßig Unterrichtsstunden aufgrund des Lehrkräftemangels aus.
Unter Schüler:innen, Auszubildenden und Studierenden herrscht zudem eine Perspektivlosigkeit und viele haben die Angst und Ungewissheit vor der Zukunft immer im Hinterkopf. Als „Generation Krise“ kennen wir das nur zu gut.
Die Festung Europa wird ausgebaut
Hand in Hand mit der Militarisierung geht die faktische Abschaffung des Asylrechts durch die Ampelregierung in Deutschland und Europa. Abschiebungen sollen unter anderem durch neue Abkommen und dem Bau von Migrationszentren in Ländern wie Nigeria, Marokko oder Tunesien erleichtert werden. Mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) soll die Migration so gesteuert werden, dass nur noch diejenigen in die EU kommen, die geeignet für den Arbeitsmarkt sind. Daneben will Deutschland die Abschiebehaft verlängern und seine Grenzen dicht machen. An den Mauern der „Festung Europa“ spitzt sich dies zu. Alleine 2023 sind über 2500 Menschen auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken – damit ist es das tödlichste der letzten fünf Jahre.
Junge Migrant:innen, die in Deutschland zur Schule gehen, studieren oder eine Ausbildung machen müssen jetzt verstärkt davor bangen, ihre Perspektive auf eine Zukunft ohne Krieg, Verfolgung und Armut zu verlieren. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass die Menschen erst wegen der Ausbeutung durch deutsche Konzerne, Kriegen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist, und den Auswirkungen des Klimawandels fliehen müssen.
Hinzu kommt eine Zunahme rassistischer Hetze, die schon lange nicht mehr nur von rechts außen betrieben wird. Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus finden immer mehr Anklang in vielen Teilen der Gesellschaft. Das spielt rechten Parteien in die Hände: Die faschistische Bewegung erfreut sich mit dem Aufstieg der AfD an einer neuen Salonfähigkeit. Doch die AfD ist keine Partei der „kleinen Leute“, wie sie sich gerne ausgibt. Sie will Unternehmen entlasten und öffentliche Gelder im Bereich Bildung und Soziales kürzen. Finanziert wird sie dabei auch von Konzernen wie Mercedes-Benz oder Müllermilch.
Widerstand gegen das System
Schauen wir uns in der Welt um sehen wir aber nicht nur Krisen, wir sehen auch Widerstand gegen das System, das sie hervorbringt! Als Jugendliche, die in Deutschland leben, kämpfen wir im Herzen der Bestie gegen den Kapitalismus. Internationale Solidarität bedeutet für uns also, die Ausbeutung und Unterdrückung anderer Nationen durch die deutschen Konzerne und ihren Staat aufzuzeigen und zu bekämpfen, um den Kampf unserer Klassengeschwister auf der ganzen Welt zu stärken. Denn um das System zu stürzen brauchen wir eine vereinte Arbeiter:innenbewegung.
Es gibt zahlreiche Beispiele von internationalen Kämpfen und mit einigen von ihnen wollen wir uns auf den nachfolgenden Seiten beschäftigen. Sei es die Guerilla in den Bergen Kurdistans, die einen unermüdlichen Kampf gegen den türkischen Faschismus führt, seien es die Jugendaufstände in Frankreich nach einem erneuten Polizeimord, seien es die Streiks gegen Waffenlieferungen oder seien es die Seenotretter:innen auf dem Mittelmeer. Sie alle schaffen eine Perspektive für die „Generation Aufstand“.
Flucht vor Krieg und Armut & Kriminalisierung von Seenotrettung
Der Klimawandel, imperialistische Kriege, grassierende Armut, faschistische Unterdrückung – durch all diese Dinge werden jedes Jahr Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Die Einen fliehen, weil ihre Häuser durch Bomben oder Überschwemmungen zerstört wurden, die Anderen, weil sie politisch verfolgt werden und ihnen Gefängnis und Folter drohen.
Ein großer Teil der Geflüchteten flieht innerhalb des eigenen Landes oder in naheliegende Nachbarländer. Eine riesige Zahl an Menschen flieht allerdings auch in weiter entfernte Länder, da oftmals ganze Regionen von den gleichen Problemen betroffen sind. Zu den meistgenutzten Fluchtrouten von Westasien und Afrika nach Europa zählen die sogenannte Balkanroute und der Weg über das Mittelmeer.
Geflüchtete sind auf ihrer Flucht oftmals grausamsten Bedingungen ausgesetzt. In Libyen werden Menschen verschleppt und versklavt, Saudi-Arabien lässt systematisch Geflüchtete an der Grenze zum Jemen ermorden und an der EU-Außengrenze werden Menschen systematisch misshandel, erschossen oder zurück nach Nordafrika geschleppt.
Das Mittelmeer stellt dabei die tödlichste Fluchtroute dar. Im Jahr 2023 sind dort nach offiziellen Statistiken mindestens 2.800 Menschen auf der Flucht nach Europa ertrunken – seit 2014 mindestens 28.000 Menschen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch weit höher.
Staaten verpflichten sich zur Seenotrettung und verstoßen gegen ihr eigenes Recht
Zur Seenotrettung ist eigentlich jedes Schiff verpflichtet, das die Kapazitäten dafür hat. Die Verantwortung der Seenotrettung liegt allerdings nicht nur bei den Schiffen. Auf dem Meer gibt es sogenannte „search and rescue zones“. Diese Zonen werden verschiedenen Staaten zugeteilt, die sich bei einer Notsituation in der jeweiligen Zone um die Koordinierung der Seenotrettung kümmern müssen. Die zuständigen Staaten müssen danach einen sicheren Ort/Hafen finden, an dem die geretteten Personen abgeliefert werden.
Obwohl die Koordinierung der Rettung und Aufnahme der Geretteten an einem sicheren Hafen Pflicht ist kommt es häufig vor, dass sich Staaten der Aufnahme entziehen. Seit Jahren führt die griechische Küstenwache illegale „Pushbacks“ durch. Das bedeutet, dass sie Geflüchtete gezielt aufs Meer zurück drängen. Im Anschluss wurden sie oft in kaputten Booten oder auf Rettungsinseln zurück gelassen. Die „Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache“ (Frontex), die diese Vorgänge eigentlich überwachen soll, hat versucht, diese Pushbacks zu vertuschen. Unter anderem zog sie Patrouillen-Flugzeuge ab, damit es keine offizielle Dokumentation gibt.
Auch Italien sorgte in der Vergangenheit dafür, dass Geflüchtete, die von italienischen Booten aufgenommen wurden, zurück nach Libyen verfrachtet werden. Dieses vorgehen wurde 2012 vor dem „Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“ (EGMR) als illegal erklärt. Aus diesem Grund haben Italien und weitere EU Staaten 2016 angefangen, sich direkt mit der libyschen Küstenwache zu koordinieren. Behörden aus der EU melden gesichtete Flüchtlingsboote der libyschen Küstenwache, welche die Flüchtlinge dann nach Libyen verschleppt. Vielen droht dort eine Gefängnisstrafe, bei der sie Folter, Vergewaltigungen und Tötungen erwarten.
Repression gegen zivile Seenotretter:innen in Europa
Es gibt allerdings auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich der Seenotrettung widmen, und vom deutschen Staat finanziell unterstützt werden. Die aktuelle Unterstützung soll planmäßig noch bis 2026 andauern. Allerdings gibt es viele Politiker:innen und Parteien, die sich gegen diese Finanzierung aussprechen. Von der AfD bis zur SPD wird die finanzielle Unterstützung kritisiert und soll spätestens nach 2026 eingestellt werden.
Trotz der finanziellen Unterstützung, die zivile Seenotretter:innen zumindest vorerst noch erhalten sollen, gibt es noch andere Hindernisse, die dazu führen, dass sie ihrer Tätigkeit immer schwieriger nachkommen können.
Schiffe von Seenotretter:innen werden regelmäßig festgesetzt, sodass sie ihrer Aufgabe nicht mehr nachgehen können. Im letzten halben Jahr wurden wieder mehrere Schiffe von den italienischen Behörden festgesetzt. Diese finden immer neue Wege und Bergündungen, um die NGOs daran zu hindern, Menschen in Seenot zu retten. Es werden neue Gesetze und Regelungen verabschiedet, die die Seenotretter weiter einschränken. Eines dieser neuen Gesetze besagt, dass man gerettete Personen nach einem Einsatz direkt zur vorgegebenen Küste bringen muss und davor keine weiteren Rettungen durchführen darf.
Das widerspricht natürlich dem internationalen Seerecht, das besagt, dass Menschen gerettet werden müssen, wenn die Kapazitäten dafür vorhanden sind. Im Juli 2023 wurde beispielsweise das Schiff „See-Eye 4“ festgesetzt, da es, nachdem es 17 Personen gerettet hatte und anstatt direkt zu einem Hafen zu fahren einem weiteren Notruf nachging, um weitere 32 Menschen zu .
Fluchtursachen müssen bekämpft werden
Seenotretter:innen übernehmen mithilfe vieler ehrenamtlicher Helfer:innen letztendlich notwendige Aufgaben, vor denen der deutsche Staat und die EU sich drücken. Durch ihre Arbeit retten sie jedes Jahr tausende Menschen vor dem Ertrinken oder der Verschleppung. Gleichzeitig kommt diese Arbeit schnell an ihre Grenzen.
Denn die Zahl von Geflüchteten wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer weiter ansteigen. Durch die sich verschärfende Klimakrise und Armut und immer neue militärische Konflikte verlieren Millionen von Menschen ihre Lebensgrundlage. Um das Sterben zu vermeiden müssen die Probleme also bei der Wurzel gepackt werden und Fluchtursachen konsequent bekämpft werden.
Praktische internationale Solidarität: Streiks gegen Waffenlieferungen
Wie praktische internationale Solidarität aussehen kann zeigten in den letzten 2 Jahren auch zahlreiche Hafenarbeiter:innen. Im Zuge des Ukraine Kriegs und auch kürzlich mit dem Beginn des Kriegs in Gaza kam es vermehrt zu Streiks gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete.
Hafenarbeiter:innen in Italien streiken und blockieren Häfen
In Genua (Italien) streikten im November 2023 Hafenarbeiter:innen gegen Waffenlieferungen an Israel. Dort beteiligten sich etwa 500 Arbeiter:innen an einer Aktion, zu welcher die Basisgewerkschaft „CALP“ aufgerufen hatte. Der Protest zielte darauf ab, Lieferungen für die kritische Infrastruktur Israels zu blockieren. Damit sollte die Rolle der Logistik im Krieg hervorgehoben werden, da diese den gesamten „Verkehr“ aufhalten könnte.
Zuvor hatte die selbstorganisierte Gewerkschaft bereits zu Streiks gegen Waffenlieferungen in andere Länder aufgerufen. Mitglieder blockierten in den Monaten und Jahren zuvor Schiffe, welche Lieferungen mit militärischer Ausrüstung beispielsweise an Saudi-Arabien – das seit Jahren Krieg im Jemen führt – schicken sollten. Wenn Blockaden nicht möglich sind, versuchen sie anderweitig zu helfen. Wenn Waffen in die Türkei verschickt werden machen sie Fotos der Waffen und geben den kurdischen Genoss:innen Bescheid, damit diese vorbereitet sind.
Streiks in weiteren europäischen Ländern
Des weiteren kam es auch in der spanischen Hauptstadt Barcelona und in Belgien zu Streiks. Die spanische Organisation „OEPB“ erklärte, dass man streike, um „jede Zivilbevölkerung zu schützen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, weil es keine Rechtfertigung für das Opfern von Zivilist:innen“ gäbe.
Im April 2022 streikten in der griechischen Stadt Aleksandoupulis Arbeiter:innen der „TrainOSE“ gegen Lieferungen von Rüstungsgütern an osteuropäische Staaten. Sie weigerten sich, Züge zu warten und transportfähig zu machen. Zuvor hatten sie sich bereits gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen, was von der Bevölkerung durchaus positiv aufgenommen wurde. Dementsprechend gab es auch einen großen Rückhalt bei ihren Streiks. Sie setzten den Protest trotz Drohungen der Geschäftsführung fort und forderten, Griechenland solle sich nicht an Waffenlieferungen für den Krieg in der Ukraine beteiligen.
Zu weiteren Blockaden kam es 2022 auch in Belarus. Eisenbahnarbeiter:innen kappten eine Zugverbindung, welche russischen Nachschub in die Ukraine transportiert hätten – trotz großen Unruhen im eigenen Land und extremer Repression gegenüber politischen Gegner:innen der Regierung.
Selbstorganisation statt Stellvertretertum
Bei vielen dieser Ereignisse spielten selbstorganisierte Gewerkschaften oder anderweitig organisierte Arbeiter:innenverbände eine bedeutende Rolle. Denn die sozialdemokratischen Gewerkschaftsverbände nehmen keine antimilitaristische Haltung ein und stellen sich beispielsweise an die Seite Israels – so zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund. In einem Brief erklären sie Israel sowie dem Dachverband der israelischen Gewerkschaften, dem zionistischen „Histadrut“, ihre Solidarität. Der Histadrut selbst existiert bereits seit 1920 und war maßgeblich an frühen Landvertreibungen von arabischen Kleinbäuer:innen beteiligt.
Bei solchen Aktionen zeigt der Imperialismus aber auch sein wahres Gesicht. Nicht nur Streikende, welche das imperialistische Weltsystem an einem seiner wichtigsten Glieder – dem Handel – treffen, haben vermehrt mit Repressionen zu rechnen. Auch antimilitaristischer Protest, der sich gegen die Staatslinie richtet, wird zunehmend kriminalisiert.
Der Hauptfeind steht im eigenen Land
Doch all diese Aktionen zeigen, wie wichtig der Zusammenhalt der Arbeiter:innenklasse nicht nur regional, sondern auf internationaler Ebene ist. Im Krieg sind es die Arbeiter:innen die an der Front kämpfen und für ihr „Vaterland“ sterben sollen. Es muss klar sein, dass die imperialistischen Kriege, die geführt werden, nicht im Interesse der Arbeiter:innenklasse sind.
Der damalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler sagte während dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan, dass „ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“.
Es sind die Kapitalist:innen und ihre Unternehmen, die erst an Waffenexporten verdienen und danach riesige Profite im Wiederaufbau der zerstörten Regionen machen. Dazu zählen auch zahlreiche deutsche Unternehmen. Sowohl durch den Ukraine-Krieg, als auch durch den Krieg in Gaza schossen die Börsenwerte von Rheinmetall und anderen Rüstungsunternehmen durch die Decke.
Wenige Monate nach dem Einmarsch der Bundeswehr in Afghanistan reiste im Februar 2002 eine deutsche Delegation von Wirtschaftsvertreter:innen aus der Telekommunikations-, Energie-, Transport- und Baubranche nach Afghanistan. Das Wirtschaftsministerium sagte, „das Interesse deutscher Unternehmen, einen Beitrag zum Wiederaufbau Afghanistans nach 20 Jahren Krieg und Bürgerkrieg zu leisten“ sei außerordentlich hoch.
Während des Afghanistan-Kriegs war zudem der Diplomat Martin Jäger, der unter anderem auch Sprecher des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier und Chef-Lobbyist beim Autokonzern Daimler war, als deutscher Botschafter eingesetzt. Er war mitverantwortlich für die Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands. Ab Sommer 2023 wurde er dann als Botschafter in Kiew eingesetzt, um den Wiederaufbau der Ukraine mitzugestalten.
Der deutsche Staat führt Kriege also niemals mit dem Interesse, den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen, sondern um die eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Das bedeutet auch, dass sich unser Kampf gegen den eigenen Imperialismus richten muss. Wir sitzen nicht in einem Boot mit den deutschen Kapitalist:innen, sondern mit den Arbeiter:innen der anderen Länder. Der antimilitaristische Kampf spielt also eine wichtige Rolle in Zeiten, in denen sich Krisen und Kriege verschärfen. Und die Hafenarbeiter:innen in Italien, Spanien und Griechenland zeigen uns eindrücklich wie dieser Kampf in der Praxis aussehen kann.
Kampf gegen Rassismus: Jugendaufstände in Frankreich
Am Morgen des 27. Juni 2023 wurde der 17-jährige algerisch-stämmige Nahel M. in Nanterre bei einer Verkehrskontrolle von der Polizei erschossen. Angefangen in den Pariser Vororten, gingen daraufhin in ganz Frankreich hunderttausende Menschen auf die Straße, um Gerechtigkeit für Nahel zu fordern.
Dabei kam es vielerorts zu Aufständen – man lieferte sich Straßenkämpfe mit der Polizei, es wurden Geschäfte geplündert und in vereinzelten Orten sogar Rathäuser und andere staatliche Institutionen in Brand gesteckt. Besonders migrantische Jugendliche verliehen ihrer Wut über den Mord an Nahel Ausdruck. Die meisten kannten Nahel nicht und trotzdem konnten sie sich genau in seine Lage hineinversetzen.
Rassismus ist Teil des Systems
Auch heute noch unterdrückt der Staat systematisch Menschen, die nicht dem französischen „Ideal“ entsprechen. So bekommen besonders nicht-konforme Jugendliche mit Migrationshintergrund die Wut des französischen Staates deutlich zu spüren. Sie werden als Sündenböcke für viele Probleme innerhalb der französischen Gesellschaft abgestempelt.
Dieser Rassismus entlud sich dann auch an jenem Morgen im Pariser Vorort Nanterre. Nahel wurde wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis kontrolliert – im Zuge dessen erschoss ihn ein Polizist. In keiner Welt ist diese Situation verhältnismäßig und gerechtfertigt. Und trotzdem sind solche Situationen keine Seltenheit in Frankreich und dessen Geschichte. Denn der französische Staat ist eben nun mal bis heute einer der aggressivsten imperialistischer Räuber und nutzt Rassismus, um seine koloniale Politik zu rechtfertigen.
Internationale Verbindung der Aufstände
Neben europäischen Nachbarländern wie Belgien kam es ab dem 29. Juni in vielen französischen Kolonien zu Unruhen, die an die Proteste in Europa anknüpften. In der Hauptstadt von Französisch-Guayana in Südamerika legten Demonstrierende Feuer in verschiedenen Vierteln. Polizist:innen setzten Tränengas ein, um die Menschenmenge zu kontrollieren. Als Folge wurden der öffentliche Nahverkehr und der Benzinverkauf in der Nacht eingestellt.
Auch in der „französischen“ Karibik kam es zu kleineren Protesten in Guadeloupe und Martinique. In Fort-de-France, Le Carbet und Le Robert setzten Protestierende Mülltonnen und Autos in Brand. In den überseeischen Departements wie La Réunion im indischen Ozean griffen Menschen bei Protesten Gebäude an, legten mehr als 70 Brände und warfen Gegenstände auf die Polizei.
Die Wut der Menschen auf das rassistische System blieb also keineswegs auf Frankreich beschränkt, sondern schwappte auf andere Teile der Welt über – besonders eben in diese, die seit über 100 Jahren von der französischen Kolonialmacht ausgebeutet und unterdrückt werden.
Eine Guerilla voller Nächstenliebe: Ivana Hoffmann
„Ich kann die schönsten Farben nicht mehr auseinanderhalten, den Wind der Stadt spüre ich nicht mehr auf meiner Haut, das Singen der Vögel hört sich stärker nach dem Ruf der Freiheit an.“
Das schrieb Ivana Hoffman in ihrem Abschiedsbrief an ihre Genoss:innen in Duisburg, als sie sich entschloss ein Teil der Revolution in Rojava zu werden. Doch wer war Ivana überhaupt? Und was bewegte sie dazu, in ein fremdes Land zu reisen um dort eine Revolution zu verteidigen?
Ivanas Leben in Deutschland
Ivana wurde am 1. September 1995 in Emmerich am Rhein geboren, und wuchs in Duisburg auf. Als schwarze lesbische Frau und Teil der Arbeiter:innenklasse war sie einer vielseitigen Unterdrückung in dieser Gesellschaft ausgesetzt. Dies bedeutete jedoch auch, dass sie eine vielseitige Befreiung zu gewinnen hatte.
Dies war vermutlich auch einer der Gründe, warum sie schon seit ihrer Jugend politisch aktiv war. Sie politisierte sich in der Bildungsstreikbewegung in Duisburg und wurde schnell zu deren Pressesprecherin gewählt. Zu dieser Zeit begann sie sich auch bei der sozialistischen Jugend-Organisation „Young Struggle“ zu organisieren. In ihrer politischen Arbeit war schon früh ihre Verbundenheit zum kurdischen Befreiungskampf zu spüren.
Das kurdische Volk wird seit über 100 Jahren systematisch unterdrückt und bis heute wird ihm kein Recht auf nationale Selbstbestimmung zugestanden. Stattdessen erstrecken sich die kurdischen Gebiete auf die Staatsgebiete der Türkei, Syrien, Iran und Irak. Vor 10 Jahren konnten sich die Kurd:innen in Rojava in Nordsyrien eine autonome Region erkämpfen und die Befreiung der Frau vorantreiben. Heute wird die kurdische Befreiungsbewegung besonders stark vom faschistischen türkischen Staat auf der einen und vom Islamischen Staat auf der anderen Seite angegriffen. Ende 2023 begann die Türkei eine Offensive und greift regelmäßig zivile Infrastruktur an.
Kampf für die Befreiung in Kurdistan
Mit 18 Jahren schloss sich Ivana der „Marksist Leninist Komünist Parti“ (MLKP) an und reiste im Jahr 2014 nach Rojava, um dort die demokratische Revolution gegen den IS und den türkischen Staat zu verteidigen. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie zu ihrem Entschluss:
„Ich habe einen Entschluss gefasst, ich habe Tage und Nächte mit den Gedanken in meinem Kopf gelebt und heute ist der Tag, an dem ich mit meinem Willen, der so stark ist wie die Strömung des Flusses Dîcle-Firat, den Schritt gehen werden“.
Zunächst führte Ivanas Weg in die Berge Kurdistans, wo sie im Kanton Cizîrê ein halbes Jahr lang sowohl eine militärische, als auch eine ideologische Ausbildung erhielt und verschiedene Aufgaben erledigte. 2014 reiste sie dann nach Rojava, ein selbstverwaltetes Gebiet in Westkurdistan, um dort die Revolution zu verteidigen.
Am 7. März 2015 fiel Ivana mit nur 19 Jahren unter dem Kampfnamen „Avaşin Tekoşin Güneş“ bei der erfolgreichen Verteidigung des Dorfes Til Temir gegen den Islamischen Staat.
Die Bedeutung von Ivanas Kampf für uns
Der Tag ihres Todes ist jedoch gleichzeitig auch der Tag, an dem sie unsterblich wurde. Denn so lange wir uns an Ivana erinnern, und ihre Geschichte erzählen, solange wir ihren Kampf weiterführen, lebt sie in unserem Kampf weiter. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie auch:
„Wenn ich zurück komme werde ich meine Genossen, mein Umfeld mit dem Kampfgeist und der Willenskraft anstecken, ich werde wie die schönsten Lieder sein und jeden in meinen Bann ziehen. Ich werde eine Guerilla voller Nächstenliebe und Hoffnung.“
Ivana ist niemals aus den Bergen Kurdistans zurückgekommen. Doch sie hat viel Menschen hier in Deutschland berührt und inspiriert. Sie entschloss sich dazu, ihr Leben der Revolution zu widmen und nicht nur sich selbst immer wieder zu revolutionieren, sondern auch ihr Umfeld zu revolutionieren und mit ihrem Kampfgeist anzustecken.
Sie hätte sich in ein „angenehmes“ bürgerliches Leben zurückziehen können, doch sie hat sich aktiv dagegen entschieden. Wir alle können uns ein Beispiel an ihrem Mut, ihrem Kampfgeist und ihrer Willensstärke nehmen. Ivana war eine Internationalistin. Ivana war eine klassenkämpferische Jugendliche. Ivana war eine Kommunistin. Ihr Kampf war nicht umsonst und ihr Erbe tragen wir heute hier in Deutschland weiter.
Wir sind die Generation Aufstand
Die Zustände um uns herum sind katastrophal und wir können zusehen, wie sie sich immer weiter verschlechtern. Vielen Jugendlichen geht das sehr nah und sie wollen etwas dagegen tun. Aber gleichzeitig stellt sich schnell ein Gefühl der Ohnmacht ein. Die meisten Jugendlichen hatten sicher schon einmal den Gedanken, dass sie sowieso nichts verändern können.
Doch wie wir in dieser Broschüre sehen konnten gibt es überall auf der Welt Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus. Auch Jugendliche haben in letzter Zeit immer wieder gezeigt, dass sie sich wehren wollen: Die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ hat auf der ganzen Welt Millionen Jugendliche auf die Straße geholt und in Frankreich sind Zehntausende gegen den rassistischen Polizeimord an Nahel laut geworden.
Wenn wir den dauerhaften Zustand von Krisen und Kriegen nicht einfach so hinnehmen möchten, müssen wir jedoch anerkennen, dass wir nur gemeinsam etwas verändern können. Geben wir jedoch auf, haben wir schon verloren. Oft fehlt auch das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Aussicht auf eine alternative Welt. Klar ist aber: es braucht ein anderes System. Und zwar eines, das die Widersprüche und Ungerechtigkeiten des Kapitalismus überwindet.
Kapitalismus bedeutet Ausbeutung
Im Kapitalismus gehören die Unternehmen einzelnen Privatpersonen – den Kapitalist:innen. Die Arbeiter:innen, die den absoluten Großteil der Gesellschaft ausmachen, besitzen keine Firmen o.ä. und haben daher keine andere Wahl als für die Kapitalist:innen zu arbeiten. Während die Kapitalist:innen entscheiden was und wie produziert wird, sind die Arbeiter:innen diejenigen, die die Produktion umsetzen. Ohne die Arbeiter:innen passiert in der Wirtschaft also nichts.
Doch gleichzeitig sind es die Kapitalist:innen, die sich den Großteil der erarbeiteten Profite aneignen. Mit den finanziellen Mitteln, die sie haben, können sie zudem eine große Kontrolle über die politischen Entscheidungsprozesse ausüben. Die Interessen der Arbeiter:innen rücken dabei also in den Hintergrund. Die Mittel, mit denen die Arbeiter:innen Einfluss nehmen können, sind dann beispielsweise Streiks, um für höhere Löhne oder gegen Waffenlieferungen zu kämpfen.
Um im kapitalistischen Konkurrenzkampf zu überleben, werden neben diplomatischen Mitteln auch regelmäßig militärische Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen genutzt. Nationalstaaten wie Deutschland, die die Interessen der eigenen Konzerne vertreten, führen überall in der Welt Kriege, wenn sie es als notwendig erachten. Zwei Mal gipfelte der internationale Konkurrenzkampf bereits in Weltkriegen und auch heute sehen wir, wie sich auf der ganzen Welt Konflikte zuspitzen und die Aufrüstung vorangetrieben wird.
Befreiung nur im Sozialismus
All diese Widersprüche wollen wir im Sozialismus überwinden. Doch dafür müssen wir die Art und Weise wie wir wirtschaften und zusammenleben grundlegend verändern. Die notwendigen Bedingungen hat der Kapitalismus bereits selbst geschaffen: Innerhalb großer Unternehmen entwickelt sich gesetzmäßig eine durch und durch geplante Produktion, die durch den technologischen Fortschritt große Sprünge gemacht hat. Im Sozialismus wollen wir jedoch die gleichzeitig herrschende Konkurrenz zwischen Unternehmen überwinden und eine demokratische Planwirtschaft errichten.
Im Sozialismus wird zudem die Politik umgebaut: Ein Rätesystem, in dem die Menschen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens mitbestimmen, soll den Parlamentarismus ersetzen. Durch diese von Grund auf demokratische Organisation der Gesellschaft wird die Produktion an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst – nicht an die Profitinteressen weniger Kapitalist:innen.
Gemeinsam kämpfen für Veränderung
Das klingt ja schön und gut – aber irgendwie wirkt das Bild des Sozialismus wie in sehr weiter Ferne oder sogar unerreichbar. Und beim Anblick der Welt, wie sie jetzt im Kapitalismus ist, kann einen schon mal jeglicher Mut verlassen.
Doch es gibt genug Beispiele, die beweisen, dass wir die Welt verlieren, wenn wir nichts tun. Daher ist unsere einzige Option, uns zusammenzuschließen und nicht aufzugeben. Wir müssen über die Ungerechtigkeiten sprechen, laut werden und uns widersetzen – in der Schule und auf der Straße. Wir Jugendlichen müssen zusammenhalten gegen dieses ungerechte System und uns organisieren.
Das bedeutet im Wesentlichen eines: Wir müssen unsere größte Waffe einsetzen: Wir Arbeiter:innen sind die Mehrheit. Als Jugend der Arbeiter:innenklasse sind wir die Generation, vor der die imperialistischen Staaten Angst haben. Denn wenn wir uns organisiert wehren, kann uns niemand aufhalten. Und mit einer sozialistischen Perspektive werden wir das System von Morgen erkämpfen.
Lasst uns gemeinsam für den Sozialismus kämpfen – und aus der Generation Krise die Generation Aufstand machen!