18. März 2021: Tag der politischen Gefangenen

Heute, am 18. März, stehen wir solidarisch mit allen politischen Gefangenen und Betroffenen von staatlicher Repression! Repression hat immer zum Ziel, weiteres politisches Handeln zu unterbinden. Linke Proteste sollen so kriminalisiert und einzelne Betroffene isoliert und in ihrer politischen Identität gebrochen werden. Die Inhaftierung einzelner ist deshalb immer auch eine Botschaft der Repressionsorgane, an die gesamte Bewegung, Proteste doch besser zu unterlassen, wenn es uns nicht auch so ergehen soll. Um die Klassenjustiz zu bekämpfen, ist es deshalb notwendig, dass wir uns mit politischen Prozessen und der aktuellen Gesetzeslage auseinandersetzen. Hier sind einige Beispiele relevanter Verfahren und ihr Hintergrund:

§ 129b – Gesinnungsparagraph zur Unterdrückung der kurdischen und türkischen Linken
§ 129b des Strafgesetzbuches stellt die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung unter Strafe und stellt so einen Pfeiler der staatlichen Repression gegen die Linke Szene dar. Besonders häufig wird § 129b gegen die kurdische Befreiungsbewegung in Deutschland verwendet.

 

Im Januar 2020 urteilte der Kassationshof in Brüssel, dass die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) von nun an nicht mehr als terroristische Organisation verfolgt werden könne, sondern vielmehr als Teil einer bewaffneten, innerstaatlichen Auseinandersetzung sei. Zudem müsse Art. 1 Abs. 4 des ZP 1 der Genfer Konvention Anwendung finden, wonach Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung, im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker, völkerrechtlich anzuerkennen sind. Einen Tag nach dem Urteil in Brüssel wird Salih K. aufgrund ihres Engagements für die PKK, wegen § 129b, zu drei Jahren verurteilt. Am OLG Stuttgart heißt es in der mündlichen Urteilsverkündung, es sei abwegig, hier eine völkerrechtliche Anerkennung anzunehmen. Doch die Prozesse von Salih K. und weiterer kurdischer und türkischer Genoss:innen beziehen sich auf die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei und die Entwicklungen des kurdisch-türkischen Konflikts – deren völkerrechtliche Einordnung sollte für die Beweisaufnahme also zwingend erfolgen.

Das TKP/ML-Verfahren gegen Müslüm Elma und neun weitere Genoss:innen

Auch das TKP/ML-Verfahren in München, bei dem zehn Angeklagte für ihre vermeintliche Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) belangt wurden, endete mithohen Haftstrafen zwischen zweieinhalb und sechseinhalb Jahren – und das, obwohl keinem oder keiner der Angeklagten eine Beteiligung an einer konkreten Straftat vorgeworfen werden konnte. Es ist das erste Verfahren, in dem Angeklagte wegen der Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen“ Organisation nach § 129b StGB verurteilt wurden, die auf keiner internationalen Terrorliste steht, die in Deutschland nicht verboten ist und deren Mitglieder häufig einen Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten haben. Nur die faschistische Türkei stuft sie – wenig verwunderlich – als Terrororganisation ein. Damit es überhaupt zu einem Prozess vor einem deutschen Gericht kommen konnte, musste das Justizministerium eine sogenannte Verfolgungsermächtigung erteilen.

Der Prozess hat also ganz klar politischen Charakter. Die Verteidigung bezeichnete das Urteil richtigerweise als „harte Haftstrafen in einem Verfahren, das allein im Interesse der Türkei geführt wird – gegen Menschen, denen in Deutschland keine Straftat vorgeworfen wird“. 

Harte Haftstrafen gegen Die Drei von der Parkbank auf zweifelhafter Beweislage
Im November 2020 ging der Prozess gegen die „3 von der Parkbank“ zu Ende. Das Hamburger Landgericht sprach drei linke Aktivist:innen der Verabredung zur Brandstiftung für schuldig und verhängte Strafen von 22, 20 und 19 Monaten Haft. Die Angeklagten wurden wegen vier kleinen PET-Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit, Grillanzündern und einer Liste von Adressen, die bei ihnen gefunden wurden, von einer zivilen Polizeistreife in einem Hamburger Park verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft konstruierte daraus die Vorbereitung einer Brandstiftung – trotz denkbar dünner Beweisgrundlage. Damit offenbarte die Justiz einmal mehr den unbedingten staatlichen Verfolgungseifer gegen missliebige linke Bewegungen.

 

Es ist außerdem davon auszugehen, dass die Verhaftungen eine gezielte polizeiliche Maßnahme darstellen, die auf Grundlage von weit im Vorfeld gelagerter Observation stattfanden. Die Angeklagten wurden von der Polizei über Monate ohne richterlichen Beschluss zur „Gefahrenabwehr“ observiert, fotografiert und unter Einsatz von ständigerGPS-Ortung überwacht.

Politische Prozesse wie dieser dienen dazu, politische Gegner:innen „präventiv“ auszuschalten. Unter dem Deckmantel der polizeilichen Gefahrenabwehr, hat die Polizei eine dauerhafte Praxis rechtswidriger geheimdienstlicher Überwachung etabliert. Diese müssen wir öffentlich kritisieren und Widerstand leisten! 

Kollektivstrafen beim Verfahren gegen die „Basel 18“

Im Juni 2018 kam es bei einer nicht genehmigten Demo in Basel zu zerbrochenen und mit Farbe beschmierten Scheiben von Banken und Konzernen. Die Staatsanwaltschaft sah darin einen Angriff auf mehrere demokratische Rechtsgrundsätze und klagte 18 Angeklagte wegen schwerer Delikte an. Die verhängten Strafen fielen mit 20 bis 27 Monaten ohne Bewährung sehr hoch aus.

Die Angeklagten wurden nicht erwischt, beobachtet oder gefilmt, sondern teilweise erst viel später oder in anderen Stadtteilen aufgegriffen, weil sie aufgrund ihrer Kleidung dem „linksalternativen Spektrum“ zugeordnet wurden. Einer wurde angeklagt, weil seine Punkerkleidung zeige, dass er „anarchistisch motiviert und eingestellt sei“. Einer anderen wurde angelastet, dass bei ihr bei einer Hausdurchsuchung eine juristische Proseminararbeit zur „Teilnahme- und Vorsatzproblematik bei Gewaltdelikten“ gefunden worden sei. Einem wurde unterstellt, er stehe „ideologisch dem gewalttätigen Linksextremismus“ nahe, da bei ihm zu Hause ein „1.-Mai-Demo-Plakat“ und ein „Anarchiezeichen an der Wand“ vorgefunden wurden.

Den Beschuldigten konnten keine konkreten Straftaten nachgewiesen werden, weder ob eine/r von ihnen vermummt war, noch ob eine/r etwas demoliert hatte. Das Gericht reagierte darauf erstmals in der Geschichte der jüngeren schweizerischen Rechtsprechung mit einer Kollektivstrafe. Es vertrat die Meinung, es sei ausreichend, Teil einer “homogenen Gruppe” zu sein, die von Anfang an das “Ziel verfolgen würde, Sachbeschädigungen zu begehen und die Polizei anzugreifen”. In diesem Fall brauche es keine konkreten Tatbeiträge – alle, die am Umzug teilgenommen haben sollen, hätten sich bereits durch das Mitlaufen und das angebliche ideologische Mittragen der Taten schuldig gemacht.

Was bedeutet dieses Urteil für uns? Kollektivstrafen zielen darauf ab, nicht konkrete Taten zu bestrafen, sondern eine Nähe zu einem bestimmten Umfeld, zu Ideen oder politischen Vorstellungen und entsprechenden Veranstaltungen. Würden Kollektivstrafen zur gängigen Rechtssprechung werden, dann würden nur noch Aktionsformen stattfinden können, die der Staatsgewalt angenehm sind, was uns in unserer Handlungsfähigkeit stark einschränken würde. Wenn die bloße Anwesenheit auf Demonstrationen, auf denen es (auch nur angeblich oder durch Polizist:innen in Zivil) zu Straftaten kommt, für eine Verurteilung ausreichen, so hätte die Polizei ein effektives Mittel, unliebsame Aktivist:innen aus dem Verkehr zu ziehen.

Der G20-Rondenbarg-Prozess: Ein Versuch der Justiz, die Anwesenheit auf Demonstrationen zu kriminalisieren
Im Dezember begann vor dem Landgericht Hamburg ein Verfahren gegen fünf jugendliche Angeklagte, die sich im Rahmen des G20-Gipfels an einer Demonstration am sog. Rondenbarg teilgenommen haben. Das Verfahren wurde wegen der Pandemie-Lage auf unabsehbare Zeit vertagt, was eine positive Nachricht, aber trotzdem keinen Freispruch darstellt.
Das Rondenbarg-Verfahren ist aus mehreren Gründen auch für uns relevant: Erst einmal kam es bei der Demonstration zu schwerer Gewalt von Polizist:innen gegen Demonstrant:innen, sodass die Verteidigung von einem rechtswidrigen Angriff der Polizei auf eine grund- und versammlungsrechtlich geschützte Demonstration ausgeht. Es ist absolut zynisch, dass nun die Angegriffenen auf der Anklagebank sitzen, während bis heute keine/r der gewalttätigen Polizist:innen angeklagt ist. Den Angeklagten wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen, obwohl keiner und keinem von ihnen vorgeworfen wird, eigenhändig irgendeine strafbare Handlung begangen zu haben. Stattdessen werden ihnen pauschal alle Handlungen, die aus dem Demozug heraus begangen worden sind, angehängt. Durch die Verurteilung der unschuldigen Angeklagten, sinnbildlich für die 80 Demonstrant:innen am Rondenbarg, zielt der Prozess somit darauf ab, linke politische Aktivität zu stigmatisieren und zu unterdrücken.
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