Unsere Antwort auf die „Corona-Krise“

Die mit dem Corona-Virus verbundenen Einschnitte in unser Leben veranlassten uns als Internationale Jugend bundesweit eine Stellungnahme zu veröffentlichen.
Viele von uns Jugendlichen sehen sich mit dem Corona-Virus das erste Mal im Leben mit einer Krise konfrontiert, die uns alle gleichermaßen betrifft, einschränkt und über alltägliche Sorgen hinausgeht. Auch wenn wir Jugendlichen in der Regel nicht zu Risikogruppen gehören, müssen wir mit spezifischen Problemen umgehen können: Schule fällt aus, in einigen Bundesländern stehen die Prüfungen für das Abitur oder der Mittleren Reife auf der Kippe, das Lernen der übrigen Schüler*innen findet unter ungünstigen Umständen statt, Uni-Prüfungen und der Semesterstart werden verschoben und viele Gelegenheitsjobs in Cafés, Kneipen oder im Einzelhandel gehen verloren.
Natürlich sind notwendige Einschränkungen im öffentlichen Raum zum Schutz vor Neu-Ansteckungen sinnvoll und wir sollten die Gefahren des Virus nicht unterschätzen. Genauso sollten wir nicht in Panik geraten und auch keinen Egoismus an den Tag legen und Klopapier oder sonstiges in Massen hamstern. Im Gegenteil, wir müssen uns gegenseitig unter die Arme greifen, dort wo es nötig ist. Helfen wir im Rahmen von Nachbarschaftsolidarität unseren bedürftigen Nachbar*innen und gehen für sie einkaufen. Greifen wir uns finanziell unter die Arme, wenn jemand den Job verloren hat und die Miete ansteht, gemeinsam lässt sich vieles einfacher stemmen. Vor allem wenn wir im Gegensatz zu millionenschweren Unternehmen keine staatliche Finanzspritze bekommen.
Und das führt uns zum Kern dieser Erklärung. Wir stehen auch in der Corona-Krise immer noch dem Kapitalismus gegenüber und wir können jeden Morgen erneut in der Zeitung lesen, wie das Virus als Vorbehalt genutzt wird, um Versagen von Bossen und Konzernen auf der Tasche von Arbeiter*innen abzuwälzen. Während sich Ausgangsperren anbahnen, um die Infektionsrate zu minimieren gehen trotzdem 85% der Deutschen am nächsten Morgen zur Arbeit, als würde das Virus vor Fabriktoren, Lagerhallen und Geschäftstüren halt machen. In einigen Bundesländern ist es außerdem nicht möglich, sich auf Corona aufgrund eines Verdachts testen zu lassen. In Österreich ist es jetzt möglich, dass Löhne in „Sonderurlaubsfällen“ wie bei Corona, nicht fortgezahlt werden und in Bayern ist die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse außer Kraft gesetzt worden. Wir dürfen es weder begrüßen, noch stillschweigend hinnehmen, dass Corona als Grund herrührt, um Grundrechte außer Kraft zu setzen, die über das notwendige Maß hinausgehen.
Wir möchten uns an dieser Stelle den 12 Forderungen des Solidaritätsnetzwerkes anschließen, um trotz Corona-Pandemie einen menschenwürdigen Umgang zu finden und das Virus einzudämmen:
 
1.      Schließung aller nicht dringend notwendigen Betriebe und damit verbunden bezahlten Sonderurlaub für alle Arbeiter*innen!
2.      Sofortige Gefahrenzulage für alle im Gesundheitssystem und Supermärkten Beschäftigten!
3.      Kostenlose Testmöglichkeiten für alle!
4.      Sofortiger Stopp von Zwangsräumungen!
5.      Sofortiger Stopp aller Strom- und Wassersperrungen!
6.      Vergesellschaftung der Pharmaindustrie!
7.      Entprivatisierung des Gesundheitssystems!
8.      Dezentrale Unterbringung von Geflüchteten und Wohnungslosen!
9.      Sofortiger Aufbau von Kapazitäten bei Frauenhäusern!
10.  Stopp der Subventionen an Konzerne auf unsere Kosten – Hilfe für kleine Gewerbetreibende!
11.  Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern!
12.  Gewährleistung des Demonstrationsrechts!
 
Neben diesen grundsätzlichen Forderungen wollen wir auch darauf aufmerksam machen, dass die Situation für Frauen* ebenfalls verschlechtert wird. Das Virus trägt frauenspezifische Veränderungen in der Gesellschaft mit sich. Das Frauen*kollektiv hat dazu bereits eine Stellungnahme und einen Forderungskatalog aufgestellt, dem wir uns ebenfalls anschließen möchten:
 
1.      Gesundheit vor Profiten!
Patient*innen und Personal leiden darunter, dass Krankenhäuser zunehmend dem kapitalistischen Ausbeutungssystem unterworfen werden. Wir fordern: Schluss mit der chronischen Unterfinanzierung und Privatisierung des Gesundheitssystems! Schluss mit den „weißen Fabriken“!
2.      Gefahrenzulage für alle, die noch arbeiten müssen!
Um ihrem verantwortungsvollen Beruf gerecht zu werden, müssen Pflegekräfte, aber auch Arbeiter*innen in Supermärkten unter teils unmenschlichen Bedingungen ihre Bedürfnisse zurückstellen. Wir fordern: bessere Arbeitsbedingungen, das bedeutet: höhere Hygienestandards, genug Zeit, sie zu erfüllen und geregelte Arbeitszeiten! Gefahrenzulage für alle, die weiterhin arbeiten!
3.      Pädagoginnen und Erzieherinnen finanziell absichern!
Wenn Kinder das Virus tragen, dann bleiben sie oft kerngesund. Menschen in pädagogischen Berufen waren diesem Risiko lange ausgesetzt, sind jetzt plötzlich zwangsbeurlaubt. Ihre Situation ist unklar – müssen sie unbezahlten Urlaub nehmen? Wir fordern die Träger auf, Pädagoginnen aller Art für ihre Arbeit und auch für zwangsweise Arbeitsunfälle zu bezahlen!
4.      Bessere Notfallversorgung bei häuslicher Gewalt!
In Notfallsituationen können wir uns auf die Polizei nicht verlassen. Wir brauchen gut geschultes und fair bezahltes Personal an Anlaufstellen, und das flächendeckend! Frauen und LGBT+ in Notsituationen müssen vielseitige Beratung erhalten können – psychologisch, finanziell, juristisch. Dazu zählt auch, dass mehr Frauenhausplätze zur Verfügung gestellt werden.
5.      Anerkennung und gesellschaftliche Organisation der Care-Arbeit!
Care-Arbeit ist unsichtbar, unbezahlt und weiblich. Eine Pandemie zeigt, wie gefährlich es ist, dass jeder Haushalt die Frage der Versorgung auf eigene Faust regeln muss. Jeder Haushalt muss für sich selbst einkaufen, Hamsterkäufe und Brennpunkte wie Supermärkte entstehen und wer zur Hochrisikogruppe gehört, geht im schlimmsten Fall leer aus. Wir müssen Care-Arbeit vergesellschaften, sodass die Versorgungen aller unter guten und hygienischen Bedingungen gewährleistet ist!
 
In dieser Zeit dürfen wir uns trotz räumlicher Isolation nicht trennen und uns angreifbar machen lassen. Lassen wir nicht zu, dass eine Krankheit, die ohnehin schon mehr als genug Schaden anrichtet, als Sündenbock herhält, um uns auzubeuten.
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